Allgemeine Informationen
Hintergrundinformationen zur Arbeit des „Der Kleine Nazareno e.V.“ und der „Associação Beneficente O Pequeno Nazareno“ – gemeinsam bezeichnet als: „Der Nazareno Verein“
Es ist unmöglich, das Leid der Kinder, die in Brasiliens Großstädten auf der Straße leben, zu beschreiben.
Vielleicht kann uns Fábio, ein Straßenjunge aus Fortaleza , deren Situation ein wenig verständlicher machen. Er sagt: "Ob ich lebe oder sterbe, das ist egal". Alle Straßenkinder, die wir in den letzten 14 Jahren kennengelernt haben, stammen aus den Elendsvierteln (Favelas) großer Städte. Armut, mangelhafte Infrastruktur, unzureichende Schulausbildung, Arbeits- und Perspektivenlosigkeit, fehlerhafte medizinische Versorgung, Alkoholismus oder Drogensucht der Eltern, Gewalt und Hunger bestimmen hier ihren Alltag. Provisorische Baracken aus Lehm, Blech oder Pappe, die in der Regenzeit meist unter Wasser stehen, bieten ihnen und ihren Familien dabei keinerlei Schutz.
Dass sich ein Kind entschließt, sein Zuhause zu verlassen und seinen Lebensmittelpunkt auf die Straße zu verlagern, ist keine freiwillige Entscheidung. Vielmehr ist es der verzweifelte Versuch, einer schier nicht mehr auszuhaltenden Situation zu entfliehen. Die Straße, die den Kindern im ersten Moment wohl tatsächlich als einziger Ausweg aus ihrer misslichen Lage erscheint, entwickelt jedoch sehr schnell ihre eigene, zerstörerische Dynamik: die Kinder haben keine Lobby, leben ohne jeglichen Schutz und bleiben von der übrigen Gesellschaft weiterhin ausgeschlossen. Täglich erfahren sie Zurückweisung, erleiden Hunger und Gewalt, sind Kriminalität und Missbrauch ausgesetzt. Früher oder später flüchten sie sich in Alkohol und Drogen. Die meisten werden straffällig. Viele kommen jung ums Leben. Schafft es ein Kind nicht, diesem Teufelskreis zu entfliehen, ist die Zerstörung der eigenen Persönlichkeit und die des eigenen Körpers die fatale, unausweichliche Konsequenz.
Um Kindern wie Fábio die Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben zurückzugeben, um auf das Schicksal dieser Kinder aufmerksam zu machen und öffentlich für deren Rechte einzutreten, wurde 1994 „Der Nazareno Verein“ ins Leben gerufen. Mittlerweile sind wir die größte Organisation in Brasilien, die in Fortaleza und in Recife die meisten Straßenkinder betreut und ihnen dauerhaft eine neue Lebensperspektive ermöglicht.
Konzept und Zielsetzung der Nazarenodörfer
In unserem Kinderdorf bei Maranguape (nahe Fortaleza) leben heute 75 ehemalige Straßenjungen. In unserem zweiten Dorf auf der Insel Itamaracá bei Recife sind es derzeit 36. Durch die geographische Lage (ca. 1 ½ Stunden Fahrtzeit von den Großstädten entfernt) finden die Kinder in den Dörfern erstmals den notwendigen Abstand zum Straßenleben. Umgeben von wunderschöner Natur können sie endlich zur Ruhe kommen. Frei von der Angst vor Gewalt und der Sorge um Nahrungsbeschaffung ist in ihren Köpfen erstmals Raum für positive Gedanken. Natürlich trägt jedes Kind seine eigene Vergangenheit mit sich, was mitunter zu großen inneren Spannungen führt. Auch müssen die Kinder lernen, ihr Leben ohne Drogen und mit klaren Regeln zu meistern. Zuneigung, Anerkennung und Vertrauen seitens der Erzieher, Lehrer und psychologischen Betreuer helfen ihnen jedoch beim Verarbeiten ihrer traumatischen Erlebnisse und unterstützen sie bei der Integration in die Dorfgemeinschaft.
Je nach Alter sind die Jungen in verschiedene Wohngruppen eingeteilt. Um den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen gerecht zu werden, gehen sie zunächst in unsere dorfeigenen, staatlich anerkannten Schulen. Ab der 5. Klasse besuchen sie dann öffentliche Schulen in der näheren Umgebung. Ab 16 Jahren nehmen sie an berufsvorbereitenden Kursen teil und absolvieren ab 18 Jahren Ausbildungen und Praktika in umliegenden Firmen, mit dem Ziel der späteren Übernahme. In Hinblick auf eine erfolgreiche Reintegration der Kinder und Jugendlichen in die Gesellschaft werden in den Nazarenodörfern neben schulischem und beruflichem Wissen auch ethische Werte wie Akzeptanz, Gleichwertigkeit eines jeden Menschen, Toleranz, Fairness, Nächstenliebe und der respektvolle Umgang mit Tieren und mit der Natur vermittelt. Parallel engagieren wir uns verstärkt in der Öffentlichkeitsarbeit und in der Familienarbeit. Langfristiges Ziel ist die Rückführung der Kinder in ihre Ursprungsfamilien. Leider gelingt dies nur sehr selten, weil die familiäre Situation meist unverändert bleibt. Kinder, die nicht in ihre Familien zurückkehren können, bleiben bis zu ihrer Volljährigkeit in der Dorfgemeinschaft und werden auch darüber hinaus weiter von uns begleitet und unterstützt.