Nach jahrelanger harter Arbeit und Herausforderungen aller Art ist es endlich so weit: Die Trinkwasseraufbereitungsanlange in Chatra hat am 28. Juli 2022 den Test-Betrieb aufgenommen! Sauberes Trinkwasser rückt damit für die Bewohner mehrerer Siedlungen im Ortsteil Rasui in Herrschings Partnergemeinde Chatra in greifbare Nähe. Alle gemessenen Werte liegen bereits innerhalb des zulässigen Rahmens. Die Anlage wird 2023 an die Gemeinde Chatra (bzw. die zuständige Behörde) übergeben, welche die Kosten für Betrieb und Wartung übernehmen und das Wasser kostenlos zur Verfügung stellen wird. Täglich können dann etwa 160 Haushalte, mehr als 600 Personen, mit sauberem Trinkwasser versorgt werden.
Das „Safe Drinking Water Project“ (SDWP) war immer wieder von Problemen und Rückschlägen gebeutelt worden: Ungewöhnlich heftige Monsunregen und der Corona-Lockdown hatten die Bauarbeiten mehrmals verzögert. Zwei schlimme Zyklone 2020 und 2021 führten zur Erkenntnis, dass die Anlage stärker als geplant gegen Hochwasser geschützt werden muss. Auch die politisch-administrative Situation war nicht immer einfach: Genehmigungsverfahren verzögerten sich durch Kommunalwahlen 2018, Wahlen in Indien (2019) und Westbengalen (2021). Der zu Baubeginn amtierende Bürgermeister von Chatra erkrankte schwer und konnte seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen. Im Oktober 2020 starb er. Zu guter Letzt wurde Ende 2020 der Standort für die Trinkwasseraufbereitungsanlage verlegt.(FN 1)
Am neuen Standort in Rasui leben etwa 50% Dalitfamilien (Angehörige der registrierten „unberührbaren“ Kasten), etwa ein Drittel Muslime – in ähnlich prekären Lebensumständen; die restlichen Familien gehören den OBC (Other Backward Castes) an. 35% verrichten als Tagelöhner in Landwirtschaft, Ziegeleien, bei Bau und Transport Schwerstarbeit, 28% sind Kleinstbauern. Die Monatseinkommen liegen zwischen 25 und 125 €. Viele Familien besitzen zwar Brunnen mit Schwengelpumpe, doch ist das geförderte Wasser mit Arsen und oft auch mit Keimen aus den zu nahen Plumpsklos belastet. In der Regenzeit werden die Brunnen in den niedrig liegenden Armenvierteln durch Schmutzwasser geflutet. Fast alle BewohnerInnen klagen über häufige Durchfälle durch fäkale Krankheitserreger und Parasiten, was zu krankheitsbedingten Arbeits- und somit Verdienstausfällen führt. Kein Wunder, dass die BewohnerInnen großes Interesse an sicherem Trinkwasser haben.
Die Verseuchung des Grundwassers in Chatra mit Arsen war seit Beginn der Städtepartnerschaft 1996 Thema. Auf Anregung von Bürgermeister Schiller, unterstützt vom 2020 früh verstorbenen AWA-Chef Doblinger, befasste sich ab 2012 ein Arbeitskreis Wasser in Regie der Indienhilfe mit dem Thema „sauberes Trinkwasser für Chatra“. 2016 startete die IH das SDWP, nachdem sich mit der adelphi research gGmbH in Berlin ein erfahrener Partner für die technische und partizipative Umsetzung gefunden hatte. Adelphis weltweit tätiger Bengali sprechender Senior Researcher Water Ronjon Heim in Berlin sowie vor Ort sein Mitarbeiter, Doktorand Nilanjan Saha, haben das Projekt gegen alle Hindernisse mit enormem, auch ehrenamtlichem, Einsatz vorangetrieben. Voruntersuchungen wurden durchgeführt, unterschiedliche technische Ansätze verglichen, Konstruktionspläne entworfen und angepasst, die beiden Gemeinden im Rahmen eines NaKoPa-Projektes (Nachhaltige Kommunalentwicklung durch Partnerschaftsprojekte, siehe unten) ab Ende 2018 bei der Ausschreibung und der Überwachung der Bau- und Begleitmaßnahmen unterstützt. Die Machbarkeitsstudie begründete die Entscheidung, aus Regenwasser gespeistes Oberflächenwasser aufzubereiten, das nicht mit Arsen verseucht und im Gangesdelta reichlich vorhanden ist. Wasser aus dem Fluss Padma wird in einem ausgebauten Teich zur Sedimentation und Oxidation zwischengespeichert, bevor es in die Filteranlage (Multi Stage Filtration) mit ihrem fein austarierten Kammersystem mit unterschiedlichen Filtermaterialien (Sand, Steine, Aktivkohle etc.) für verschiedene Stufen der Filterung fließt. Die Belastung durch Bakterien, Chemikalien, Pflanzenschutzmittel, Dünger, Antibiotika aus Landwirtschaft, Tierhaltung, Fischzucht etc. erfordert eine sorgfältige, aufwändige Aufbereitung des Wassers. Aus Sicherheitsgründen wird zuletzt Chlor zugefügt. Zwölf Solarpanels liefern den Strom für das Pumpen des Trinkwassers in den Hochbehälter, von wo er ins Verteilsystem fließt (zunächst nur drei Zapfstellen). Durch die Verwendung örtlich vorhandener natürlicher Materialien ist die Anlage ökologisch nachhaltig. Aktive Mitglieder des WassernutzerInnen-Komitees werden für die Bedienung, Wartung und für die Erhebung von Messwerten ausgebildet und ein Jahr lang durch alle Jahreszeiten begleitet und angeleitet. Die Betriebskosten sind relativ gering.
Die Gemeinde Herrsching hat die Verantwortung für das Kernstück des SDWP übernommen, nämlich den tatsächlichen Bau der Anlage. Im Rahmen des NaKoPa-Förderprogramms der „Servicestelle Kommunen in der Einen-Welt“ (SKEW), hat sie unter Federführung von Bürgermeister Christian Schiller und Mitarbeiterin Franziska Kalz die Finanzierung des Baus der Anlage einschließlich partnerschaftlicher Aktivitäten beantragt und abgewickelt. Die Bauarbeiten wurden durch die indische Firma der Wasserbau-Ingenieurin Manisha Banik, MAB Incorporation, durchgeführt. Sie selbst führt das Training für das lokale Wartungspersonal ein ganzes Jahr lang durch. Die Indienhilfe kümmert(e) sich um die nötigen logistischen, technischen, sozialen flankierenden Maßnahmen des Baus mit Hilfe von adelphi, dem Projektpartner Inspiration und unserem indischen ExpertInnen-Team unter Führung von Rusha Mitra in Kolkata.
Um die aktive Beteiligung der lokalen Bevölkerung und der Gemeinde Chatra, sowie deren Identifikation mit dem SDWP-Projekt sicherzustellen, haben wir mit unserem Partner Inspiration begleitend das Projekt "Grüne Kommune für Nachhaltige Entwicklung Chatra" konzipiert. So wurden die Einwohner Rasuis angeleitet, ein WassernutzerInnen-Komitee zu gründen, das sich um alle Angelegenheiten rund um Betrieb und Wartung der Anlage kümmern wird. Über die Aktivitäten im Einzelnen werden wir im nächsten Indienhilfe-Info ausführlicher berichten.
In den nächsten 12 Monaten wird der Fokus auf der Überwachung der Wasserqualität und der Optimierung der Anlage liegen, während erste Haushalte bereits in den Genuss des gereinigten Wassers kommen. Die Befestigung des Speicherteiches muss erhöht werden, um Extremwetterereignissen Stand zu halten. Für den Schutz des Einzugsgebiets rund um die Trinkwasseranlage wird Inspiration mit umliegenden Bauern und Fischzüchtern zusammenarbeiten, um die Belastung des Wassers zu verringern.
Der Aufbau eines Trinkwasserverteilungsnetzes und ein Abwasserentsorgungssystem wären notwendig, doch zuerst muss der reibungslose Betrieb der neugebauten Anlage gewährleistet sein. Abgesehen von der NaKoPa-Förderung des Baus der Anlage werden alle übrigen Kosten für die Arbeit von adelphi und Inspiration von der Indienhilfe mit ihren SpenderInnen, insbesondere auch der Schulen, getragen. Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende, das Trinkwasserprojekt in Chatra zu einem ersten erfolgreichen Abschluss zu bringen!
Kosten 2022/23: adelphi ca. 28.000 €, Inspiration ca. 22.000 €
Stichwort: Trinkwasser Chatra
Die kleine Gemeinde Herrsching mit ihrem NaKoPa-Projekt DEINWasserKommT! (Finanzierung: Ministerium für Wirtschaftl. Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, mehr unter https://skew.engagement-global.de/unterstuetzung-durch-nakopa.html) ist Pionier in Sachen globaler Partnerschaft: Wenige deutsche entwicklungspolitisch aktive Gemeinden haben bisher solch gemeinsame Projekte mit der Partnergemeinde gewagt, deren Ziel es ist, lokale Lösungsansätze zu globalen Fragen im Sinne der Agenda 2030 zu entwickeln und umzusetzen: die Trinkwasseranlage betrifft nachhaltige Daseinsvorsorge ebenso wie Klimaanpassung. Unterschiedliche kommunale Strukturen, Vorgehensweisen, Befugnisse, personelle, finanzielle, technische Ausstattung der Partnergemeinden erforderten dabei intensive Kommunikation, Flexibilität und Durchhaltevermögen. Zoom-Konferenzen mit allen Beteiligten, eine Delegationsreise nach Herrsching und die gemeinsame (digitale) Teilnahme an der 3. Asienkonferenz 2021 haben gegenseitiges Vertrauen, menschliche Beziehungen als auch wissenschaftlichen Austausch durch Einbeziehung von indischen (Jadavpur University Kolkata) und deutschen Universitäten (TUM u.a.), vorangebracht. So liefert das SDWP Anstöße für die Forschung an zukunftsfähigen Formen der Wasserversorgung – ein Thema, das angesichts weltweit zunehmender Wassernot an Brisanz gewinnt.
FN1: Am ursprünglichen Standort, dem Ghoshpur Adivasi Para, waren die Bauarbeiten nur schleppend vorangegangen. Nach Ausbruch schwelender Konflikte innerhalb der dortigen Bevölkerung wurde mit Rasui ein alternativer Ortsteil mit gravierendem Mangel an sauberem Trinkwasser identifiziert. Gemeinsam mit allen Beteiligten wurde entschieden, die Trinkwasseranlage dort zu bauen. In Ghoshpur betreibt weiterhin unser Projektpartner Inspiration ein Nachhilfezentrum, fördert Küchengärten und unterstützt Frauen-SelbstHilfe-Gruppen (SHGs). Trainings zu Hygiene und Gesundheit haben einen langfristigen positiven Effekt.